Klassiker trainieren die Menschenkenntnis. Wirklich!

hesse_blogZwei New Yorker Psychologen, Emanuele Castano und David Comer Kidd von der New Scool for Social Research, haben es bewiesen: Die Lektüre von literarischen Klassikern hilft uns, andere Menschen besser einzuschätzen. Die beiden ließen hunderte von Probanden entweder Klassiker, populäre Bestseller [man könnte auch sagen: Schundromane] oder Sachbücher lesen. Und was passierte? Die Gruppe der Klassik-Leser konnte hinterher die Gefühle, Absichten und Erwartungen anderer Menschen wesentlich  besser interpretieren. Sie konnte tatsächlich die Gedanken ihres Gegenübers besser lesen.

Wie praktisch für die nächsten Gehaltsverhandlungen, Akquisitionsgespräche und Meetings aller Art. Also vorher noch schnell ab in die Buchhandlung! Allerdings müssen Sie dort „Weber’s Grillbibel“ vollkommen unbeeindruckt links liegen lassen. Auch „Parfum d’amour – Dir verfallen“ [gibt es wirklich!] oder „Masters of Passion“ helfen uns hier bedauerlicherweise nicht weiter. Auch nicht „Der Thron der Finsternis“. Allein die literarische Qualität macht hier den Meister.

Also weiter zu den hinteren Regalen. Zu Hermann Hesse, Thomas Mann, Stefan Zweig. Die fordern uns intellektuell nämlich mehr. In den Klassikern geht es oft weniger um den Plot als um die Psychologie der Charaktere. Wir müssen selbst interpretieren und aktiv mitdenken. Die Handlungen sind selten vorhersehbar, und die Personen sind voller Widersprüche. Beschreibungen sind oft unvollständig, wir dichten dann im Kopf viele Bilder selber.

Aber zum Schluss noch eine gute Nachricht, falls sich das anstrengend anhören sollte: Der zeitliche Aufwand muss nicht episch sein. Es reichen schon hier und da mal 15 Minuten. Hermann Hesse, Thomas Mann und Stefan Zweig haben auch wunderbare Erzählungen geschrieben (z.B., in der Reihenfolge der Autoren, „Kinderseele“, „Tonio Kröger“, „Schachnovelle“). Das wäre doch etwas für den Anfang?