Ellenbogenmentalität

Kreativität und Chaos: „Ich verfüge nur über ein Zimmer für meine ärztliche Praxis und meine Schriftstellerei“, schrieb Gottfried Benn (1886-1956) einmal in der „Welt am Sonntag“. Auf seinem Schreibtisch, der nur rund 70 x 130cm groß gewesen sei, „liegen große Bündel von Briefen (die ich noch nicht beantwortete), von zugesandten Manuscripten (die ich noch nicht las), von Zeitschriften, Büchern, Probesendungen von Medikamenten, Stempelkissen (für die Rezepte), drei Kugelschreiber, zwei Aschenbecher, ein Telefonapparat. Es ist eigentlich kein Raum zum Schreiben da, trotzdem ermögliche ich es durch Fortschieben der Massen mit Hilfe der Ellenbogen. …“Und dann sinniert er weiter: „Ich stehe manchmal vor den Innendekorations- und Antiquitätengeschäften, dabei fiel neulich mein Blick auf einen Schreibtisch: 2 Meter zu 3 Meter, dunkel gebeizt, spiegelnd, nichts drauf – von dem aus hätte sich, sagte ich mir, natürlich Raumgreifenderes gestalten lassen.“

Was erkennen wir daran? „Simplify your Schreibtisch“ wird vollkommen überschätzt! Wenn man auf kleinstem Raum ein erfolgreicher Arzt sein kann und dabei noch einige der wesentlichsten deutschen Gedichte des 20. Jahrhunderts verfasst, kann die Möblierung nicht das Problem sein. Oder, im Falle Gottfried Benns muss es wohl eher heißen: Wenn man einer der bedeutendsten deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts ist und nebenbei noch als Arzt praktiziert, hält einen ein voller Schreibtisch nicht auf. Also: Ärmel hochkrempeln, Kram beiseite schieben und ohne Umschweife Großes schaffen!!