Faites vos jeux!

fullhouse_blogB. und M. waren bei uns. Zum Kartenspielen. Ein Ehepaar – jedenfalls bis zu jenem Nachmittag. Bevor es richtig losging, wurden die Rahmenbedingungen abgesteckt. M. mäkelte zunächst mal an den Bio-Kartoffelchips herum. Ihm fehlten da einfach die künstlichen Geschmacksverstärker. B. starrte auf die Schüssel und fragte nach kalorienarmen Alternativen. Auch die „Vollkorn-Bemmchen“ konnten bei M. nicht punkten. Ihn überzeugten weder der Röstzwiebelgeschmack noch die Tatsache, dass ich den Produzenten der „Bemmchen“ mal persönlich bei einem Seminar kennengelernt hatte. Ein Blick auf die „Schoko-Dinkel-Kugeln“ ließ bei einer erhobenen Augenbraue die Frage aufkommen, was das denn sei… Wenigstens der Weißwein und die Salzstangen polarisierten nicht. Wir konnten also anfangen.

M. mischte. Hoch professionell ließ er mehrfach zwei Stapel ineinanderrattern und bog die Karten in alle möglichen Richtungen. Und das in einer Geschwindigkeit, der das bloße Auge nicht mehr folgen konnte. Es war jetzt vollkommen klar, dass M. seine Poker-, Canasta- und Doppelkopf-Kenntnisse nicht – wie wir anderen – bei harmlosen Familienveranstaltungen erworben hatte, sondern ganz augenscheinlich in schummrigen, verräucherten Hinterzimmern in ständiger Furcht vor einer Razzia. Außerdem zeigte schon diese Art des Mischens seinen kompromisslosen Siegeswillen.

So begann er dann auch sein Spiel in einem Anflug von Wahnwitz. Schon im ersten Durchgang konnten B. und ich seiner Strategie nur mühsam folgen. B. drohte, wenn er noch eine einzige weitere Partie derartig eröffne, fahre sie alleine nach Hause. Und der vierte Anwesende verblüffte uns ebenfalls durch seine völlig exzentrische Taktik. Erstens ließ er B. und mich über weite Strecken in sein Blatt gucken – vermeintlich unabsichtlich, aber natürlich ein Hinterhalt. Und zweitens konnten wir dabei sehen, dass seine Karten nach überhaupt keinem logischen Prinzip geordnet waren. Er bewegte sich sozusagen zwischen der Absurdität Samuel Becketts und dem intelligenten Wahnsinn Friedrich Nietzsches. Sein Verhalten ließ nur zwei Schlüsse zu: Entweder er war den Anforderungen des Spiels nicht gewachsen oder er muss als genial gelten… Und so ging es weiter und weiter. Der Nachmittag wurde leider viel zu schnell zum Abend … in witziger, kommunikativer und sehr freundschaftlicher Atmosphäre.

Und warum war das so schön? Weil wir mal wieder „ganz Mensch“ waren. Nach dem großen Satz Friedrich Schillers (1759-1805): „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Das schreibt er in einer seiner wichtigsten kulturphilosophischen Betrachtungen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ (1794). Das Spiel allein sei in der Lage, sämtliche unserer Fähigkeiten hervorzubringen.

Also, wenn die nächste Team-Building-Aktion in Ihrem Unternehmen ansteht, brauchen Sie keinen „Seifenkisten-Grandprix“, kein „Teamgeist-Team-Drumming“ und auch keine „GPS-Nacht-Outdoor-Rallye“. Besorgen Sie einfach ein paar Skatblätter und einen schönen Weißburgunder aus der Pfalz. Das reicht vollkommen.