„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“

jesus_kinder_marie_blogIch musste dort nicht hin. Ich durfte dabei sein, beim großen Schulausflug unseres Sohnes in den Hamburger Jenisch-Park. Über 400 Kinder zwischen fünf und zehn Jahren spielten, liefen und tobten über die Wiesen und durch die Büsche. Es flogen Frisbee-Scheiben, es flogen Fußbälle. Es wurden Kastanien gesammelt, man bewarf sich mit Eicheln. Und sie spielen heute tatsächlich wieder (oder immer noch) „Räuber und Gendarm“. Es gibt kein schöneres Bild als Hunderte von bunten Kindern, die einfach mal frei und glücklich sind.

Schon auf dem Hinweg war ich überrascht, dass E., der Freund unseres Sohnes, mich auf meinen Fahrradunfall ansprach. Ich hatte mir zwei Wochen vorher ziemlich schwer den Fuß verletzt, und E. war unmittelbar dabei. Und obwohl er jetzt mitten unter Gleichaltrigen war, und eigentlich vollkommen beschäftigt, fragte er mich – wirklich interessiert –, ob es mir wieder besser gehe. Sind wir Erwachsenen da nicht oft viel schneller zurück beim Tagesgeschäft?

Etwas später dann setzte sich ein Mädchen aus derselben Klasse zu mir und fragte: „Wie ist das denn passiert?“, „Hat das sehr weh getan?“, „Hast du geweint?“, „Musstest du ins Krankenhaus?“, „Kannst Du schon wieder richtig laufen?“, „Fährst Du schon wieder Fahrrad?“... Dabei sahen ihre Augen mich aufmerksam und mitfühlend an, und ich merkte, wie sie sich in meine Situation hineinversetzte. In diesem Augenblick unterhielten sich nicht ein Kind und eine Erwachsene. Es gab keinen Rang- und keinen Altersunterschied. In diesem Moment sprachen ganz einfach zwei Menschen miteinander. Der eine fragte offen und empathisch, und der andere antwortete ganz ehrlich.

Mich hat das sehr berührt, weil dieses Mädchen genau das kann, was wir Großen uns mühevoll wieder beibringen müssen. „Achtsamkeit“ lernen wir heute. Und „Ganzheitlichkeit“. Nach einem „bewussteren Leben“ streben wir. Im „Hier und Jetzt“. Und wir suchen auf allen möglichen Wegen den Kontakt zu unseren eigenen Gefühlen, Fragen und Bedürfnissen. Und zu denen unserer Mitmenschen. Das konnten wir alle mal! Ohne Seminare, Trainings und Coachings. Offenbar haben wir das, was uns mitgegeben wurde, im Laufe der Zeit verschlampt.

„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“  Wo stand das nochmal? Was war das nochmal für eine Geschichte? Eine sehr alte. Aus dem ersten Jahrhundert nach Christus: Matthäus-Evangelium, Kapitel 18, Verse 1-5. Fünf kleine Verse, eine große Botschaft: Die Jünger Jesu hatten sich mal wieder gestritten. Und sie wollten nun von ihm wissen, wer von ihnen denn, wenn er das Reich Gottes errichtet haben würde, darin am meisten zu sagen habe: „Wer ist doch der Größte im Himmelreich?“  Sie konkurrierten miteinander und verglichen sich. Sie waren neidisch und misstrauisch. Und vergeudeten damit ihre Zeit, anstatt einfach ihre Aufgaben zu erfüllen.

„Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

Das ist eine deutliche Unterweisung, die Jesus seinen Jüngern da gibt. Solange sie sich so verhielten wie bisher, würden sie nicht einmal ins Himmelreich hineinkommen, geschweige denn, dass sie darin eine bevorzugte Stellung zu erwarten hätten! Tatsächlich sollen wir umkehren, und uns daran erinnern, wer wir eigentlich mal waren und wer wir sein könnten. Wir sollen aus unserer Kindheit und von unseren Kindern lernen. Ein aktueller Tipp dazu: „Die Schätze der Kindheit. Wie ich sie heben und mich damit reich machen kann“, nennt Mathias Jung, einer meiner wichtigsten Lehrer, sein neuestes Buch, das in diesen Tagen erscheint.

Und, noch wichtiger als Bücher: Ich wünsche uns allen sehr viele Kinder in unserem Leben. Wir sollten keine Gelegenheit auslassen, ihnen zu begegnen.