„Lass mal Brecht lesen“

Brecht_Blog„Lass mal“ heißt ein Lied vom jüngsten Album „Leichtes Gepäck“ der Band Silbermond. Es geht um gute Vorsätze und das, was dann kommt:

„Lass mal losgeh’n, lass mal Land seh’n, mal loslassen… Lass mal gesünder leben, lass mal den Wein weg, mal’n bisschen mehr bewegen. Lass mal den gottverdammten Schweinehund ’n bisschen kürzer an die Kette legen… Lass mal meine Mitte suchen, lass mal machen…“ Und dann, ein bisschen später: „Lass mal Brecht lesen, lass mal nicht so viel glotzen, mal weniger liken…“ Ja, stimmt alles!! Der Refrain dann aber leider auch:

„Die Wahrheit ist, ich mach‘ es nicht, ich mach‘ es nicht, und all‘ die bunten Pläne werden fett und alt. Die Wahrheit ist, ich mach‘ es nicht, ich mach‘ es nicht. Am Morgen denk‘ ich, lass mal machen, und am Abend hab‘ ich’s gelassen.“

Da dies kein Fitness-Blog ist, und insgesamt sowieso alles zuviel, fangen wir einfach mit einer einzigen Sache an: Brecht lesen! Über Bertolt Brecht (1898-1956) sagte Hermann Hesse: „Er war der einzige wirkliche Dichter unter den deutschen Kommunisten, und der einzige, der noch auf der ganzen breiten Basis einer umfassenden literarischen Bildung stand.“ Brecht galt als bescheiden und zurückhaltend, still und schmal. Auch er wurde von den Nationalsozialisten ins Exil gezwungen, am 10. Mai 1933 wurden seine Bücher verbrannt, nur einen Tag später dann komplett in Deutschland verboten. Brecht lebte meistens in miserablen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sein einziger Luxus waren die guten Zigarren. Und trotz dieser Widrigkeiten hat er ein riesiges Werk hinterlassen.

Es ist nicht so, dass Bertolt Brecht nur die „Dreigroschenoper“ (1928), „Mutter Courage und ihre Kinder“ (1941) und ein paar Gedichte geschrieben hätte. Schon die „Ausgewählten Werke in sechs Bänden“ umfassen 4000 Seiten. Also schlage ich vor, die Stücke gucken wir im Theater. Dann bleiben noch rund 2500 Seiten. Um da nicht auch gleich den Mut zu verlieren und es am Abend dann doch wieder gelassen zu haben, suchen wir nach der kleinen Form, dem Überschaubaren: nach Gedichten und kurzer Prosa.

Und dann stöbern wir, blättern wir, lassen uns treiben. Und bleiben da hängen, wo es durch Zufall einfach passt. So hat Brecht selbst auch gelesen. Ihm wurde der Scharfsinn nachgesagt, sich auch aus den dicksten Wälzern das herauszusuchen, was er brauchen konnte. Er hatte sich offenbar die Kunst angeeignet, aus der Weisheit der Bücher Erkenntnisse für das eigene Leben zu gewinnen. Also, was wollen wir mehr? Vielleicht sind es ja schon die kurzen „Geschichten vom Herrn Keuner“ (ab 1935), in denen wir für uns etwas finden. Ein paar Beispiele – Brecht@work:

 

Unbestechlichkeit

Auf die Frage, wie man einen erziehen könnte zur Unbestechlichkeit, antwortete Herr Keuner: „Dadurch, daß man ihn satt macht.“ Auf die Frage, wie man einen dazu veranlassen kann, daß er gute Vorschläge macht, antwortete Herr Keuner: „Dadurch, daß man sorgt, daß er an dem Nutzen seiner Vorschläge beteiligt ist und auf andere Weise, also allein, die Vorteile nicht erreichen kann.“

 

Der unentbehrliche Beamte

Von einem Beamten, der schon ziemlich lange in seinem Amt saß, hörte Herr K. rühmenderweise, er sei unentbehrlich, ein so guter Beamter sei er. „Wieso ist er unentbehrlich?“ fragte Herr K. ärgerlich. „Das Amt liefe nicht ohne ihn“, sagten seine Lober. „Wie kann er da ein guter Beamter sein, wenn das Amt nicht ohne ihn liefe?“ sagte Herr K., „er hat Zeit genug gehabt, sein Amt so weit zu ordnen, daß er entbehrlich ist. Womit beschäftigt er sich eigentlich? Ich will es euch sagen: mit Erpressung!“

 

Mühsal der Besten

„Woran arbeiten Sie?“ wurde Herr K. gefragt. Herr K. antwortete: „Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.“

 

Also haben wir den Plan für heute: Brecht lesen, ein Glas Wein trinken und Silbermond hören…