Dicke Luft in Weimar. 1787 war Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) schon seit 12 Jahren dort. Mit Herder und Wieland kam die Diva der Deutschen Klassik ja ganz gut zurecht. Aber jetzt zog Friedrich Schiller (1759-1805) in die unmittelbare Nachbarschaft. Zehn Jahre jünger, ein Stürmer und Dränger, berühmt durch die revolutionären „Räuber“… Den mochte er nicht:
„Ich vermied Schillern, der, sich in Weimar aufhaltend, in meiner Nachbarschaft wohnte. Die Erscheinung des Don Carlos war nicht geeignet, mich ihm näher zu führen, alle Versuche von Personen, die ihm und mir gleich nahestanden, lehnte ich ab, und so lebten wir eine Zeitlang nebeneinander fort.“
Diese „Zeitlang“ dauerte sechs Jahre, in denen sich die beiden kaum grüßten! Dann erst hatten sie eines abends denselben Heimweg, und weil sie sich dabei wider Erwarten so gut unterhielten, guckte Goethe noch kurz bei Schiller vorbei.
Und dann? Dann entstand daraus eine der bemerkenswertesten Freundschaften und einer der erfolgreichsten Think Tanks der Weltliteratur…
Ein „Ideenwechsel“, wie Schiller es nannte. Die beiden regten sich an, ermunterten sich, förderten sich intellektuell, geistig und philosophisch. Einer war der wohlwollende Kritiker des anderen. Und das alles ohne eigennützige Hintergedanken. In den Briefen Goethes an Schiller lesen wir nun immer wieder Dinge wie die folgenden:
„Sie muntern mich durch Ihre Teilnahme zu einem emsigeren und lebhafteren Gebrauch meiner Kräfte auf.“ Oder: „Das günstige Zusammentreffen unserer beider Naturen hat uns schon manchen Vorteil verschafft, und ich hoffe, dieses Verhältnis wird immer gleich fortwirken.“
Und schließlich arbeiten sie sogar zusammen. Viele Werke gäbe es ohne den jeweils anderen gar nicht: Der Stoff des „Wilhelm Tell“ war Goethes Idee, er trat ihn an Schiller ab. Schiller wiederum drängte Goethe, den Faust weiter zu schreiben. Und Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ wurde nur mit Schillers Hilfe zu solch einem bedeutenden Werk.
„Wie viel vorteilhafter ist es, sich in andern als in sich selbst zu bespiegeln“, brachte Goethe einmal diese gegenseitige Beflügelung auf den Punkt. Und der elementare Satz dieser Arbeits-Freundschaft stammt von Friedrich Schiller:
„Wie lebhaft habe ich bei dieser Gelegenheit erfahren, […] daß es dem Vortrefflichen gegenüber keine Freiheit gibt als die Liebe.“
Das ist Größe!