Unter Schriftstellern gab und gibt es Größenwahnsinnige, Diven, Hochstapler, Narzissten, Wichtigtuer. Labile, Hypochonder, schlichtweg Verrückte. Faulenzer, Drückeberger, Heuchler. Talente, Geistesgrößen und Genies. Und wer will und muss mit ihnen zusammenarbeiten? Mit ihnen und durch sie Erfolg haben? Der Verleger!
Von wem könnten wir also mehr über Gesprächs- und Verhandlungsführung mit schwierigen Menschen lernen als von einem erfolgreichen, mit allen Wassern gewaschenen Verleger?
Einer von ihnen, Ernst Rowohlt (1887-1960), hat uns genau für diese Situationen etwas an die Hand gegeben. Der charismatische Ernst Rowohlt, von dem ein Freund schrieb, er habe sich weder durch Freunde noch durch Feinde von seinem Weg abbringen lassen. Anfang der 30er Jahre veröffentlichte er „Fingerzeige. Über den Umgang mit Autoren“. Also lernen wir, zunächst einmal die perfekten räumlichen Verhältnisse für unangenehme Gespräche zu schaffen:
„Setz deinen Autor in einen bequemen Sessel, der niedriger ist als dein Stuhl, dann wirst du am besten mit ihm verhandeln können. Reiche ihm etwas zu rauchen hinunter. Setz eine leichtgefärbte Brille auf, damit er das Spiel deiner Augen nicht beobachten kann. Setz dich selbst möglichst in den Schatten und ihn in möglichst helles Licht. Selbstverständlich ist es, daß dich dein Schreibtisch wie ein Festungswall umgibt.“
Wenn das geschafft ist, geht es in medias res…
„Überlaß den Autor ungehemmt seinem Redefluß, wenn er dir von seinem Manuskript oder von seinem geplanten Buch erzählt. Geht ihm der Atem aus, so fange schüchtern an zu sprechen. Frage ihn nicht nach Einzelheiten seines Manuskriptes oder Plans. Sei von vornherein ebenso wie er selbst überzeugt von der Möglichkeit eines Erfolges seines Buches, denn du mußt dir sagen, daß du ihn von dem Mißerfolg, bevor er da ist, nicht überzeugen kannst.“
Natürlich muss dabei auf die Zeit geachtet werden: „Selbst die längste Besprechung darf nicht länger als eine halbe Stunde dauern. Davon hast du nur fünf Minuten Redezeit, in der dreimal das Wort Wirtschaftskrise vorkommen darf.“
Und hier sind Rowohlts praktische psychologische Tipps:
„Hüte dich vor denen, die behaupten, sie seien keine Geschäftsleute und verstünden nicht das geringste von derartigen Dingen; sie sind gefährlich. […] Fasse nicht irgendwelche Entschlüsse bei der ersten Unterhaltung, sondern denke über die Physiognomie des neuen Autors ein paar Tage nach. Sein Äußeres gibt dir mehr Einblick in das, was er kann, als das, was aus ihm als Redestrom herausbricht. […] Laß durchblicken, daß du im Grunde ein Idealist bist, aber laß ihn nicht den Eindruck haben, daß du vom Kaufmännischen nichts verstehst. Kein Autor wird dich selbst im Wesen richtig erkennen. Entweder bist du für ihn ein pfiffiger Kaufmann oder ein freundlicher Mäzen; du bist aber keins von beiden. Du hast den blödesten Beruf der Welt ergriffen. […] Bemühe dich trotzdem, den Autor von deiner Seriosität zu überzeugen, obgleich du selber fühlst, daß du eigentlich ein wilder Spekulant bist. […] Dein Meisterstück im Umgang mit den Autoren legst du aber ab, wenn du ihnen beigebracht hast, daß dein Vorteil auch ihr Vorteil ist.“
Ein Tierbändiger in einer Menagerie wilder Lebewesen – so sah einer von Rowohlts Lektoren ihn im Kreise seiner Autoren. Im Laufe der Zeit sei er zum Meisterdompteur geworden. Er kam mit Querulanten zurecht, die statt eines Manuskriptes einen Stapel leerer Seiten abgaben. Mit Problembeladenen, die jahrelang gar nicht schreiben konnten, und mit Erpressern, die ihm drohten, das fertige Manuskript zu zerreißen. Alles geschickt gemanagt und verhandelt! Und den Rowohlt-Verlag soll es ja schließlich heute noch geben.